LEBEN UND WIRKEN ...

HANS BEUTZ & EDITH BEUTZ-THEDINGA

Hans Beutz (1909-1997)

Hans Beutz gehörte zu den führenden Persönlichkeiten des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg in Wilhelmshaven und Niedersachsen. Besondere Verdienste erwarb sich der sozialdemokratische Politiker und Gewerkschaftler beim Neuaufbau der kriegszerstörten Marinestadt Wilhelmshaven und der Erwachsenenbildung in Niedersachsen sowie als letzter Regierungspräsident Ostfrieslands.

Am 2. Oktober 1909 kam Hans Beutz in der oldenburgischen Gemeinde Bant – 1911 mit anderen Gemeinden zur oldenburgischen Stadt Rüstringen vereinigt, 1937 mit der Stadt Wilhelmshaven zusammengeschlossen – zur Welt. Sein Elternhaus war geprägt von der Tätigkeit seines Vaters bei der Marinewerft und dessen Engagement in der Sozialdemokratischen Partei (SPD) bzw. in der Metallarbeitergewerkschaft. Nach der achtjährigen Volksschule begann Hans Beutz am 1. April 1924 beim Stadtmagistrat Rüstringen eine Ausbildung zum „Verwaltungsgehilfen“, die er 1927 erfolgreich abschloss. Der Besuch des Gymnasiums kam für ihn aus finanziellen Gründen nicht in Frage, an einer privaten Abendschule erwarb er jedoch während dieser Zeit auf eigene Kosten die mittlere Reife (1928). Danach verließ Hans Beutz seine Heimatstadt und arbeitete als Sekretär in der Hauptverwaltung des „Zentralverbandes der Angestellten/Freie Deutsche Angestellten Gewerkschaft“ in Berlin, wo er sich in der Abteilung für Behördenangestellte und später in der Abteilung für Sozialversicherungsangestellte vor allem mit Tarifverträgen und Fragen der Sozialversicherung beschäftigte.

Im Abendstudium besuchte Hans Beutz ab dem Sommersemester 1929 die „Deutsche Hochschule für Politik“. Diese Bildungseinrichtung im Gebäude der alten „Königlich-Preußischen Bauakademie“ war aus der 1918 von Friedrich Naumann, Max Weber und anderen als private, liberal– und sozialdemokratisch orientierte Einrichtung der „Erziehung zur Politik“ gegründeten „Staatsbürgerschule“ hervorgegangen und gehörte zu den fortschrittlichsten Einrichtungen ihrer Art in der Weimarer Republik. Berufstätige ohne weiteren Befähigungsnachweis konnten sich hier in verschiedenen Stufen bis zu einem akademischen Abschluss weiterqualifizieren.

Im Trägerverein der Schule engagierten sich Rudolf Hilferding und Hans Delbrück, später auch Otto Braun und Erich Koch-Weser. Intensiv bemühte man sich um einen fächerübergreifenden Studienansatz. Einer der hauptamtlichen Studienleiter war viele Jahre lang der spätere Bundespräsident Theodor Heuss.

Die Hochschule wurde 1933 gleichgeschaltet und 1935 in die „Friedrich Wilhelm Universität“ Berlin integriert. 1948 eröffnete man sie unter der Leitung von Otto Suhr als „Deutsche Hochschule für Politik“ ein zweites Mal, um sie 1959 als Teil des „Otto-Suhr-Instituts“ in die „Freie Universität (FU) Berlin“ aufzunehmen.

Die „Hochschule für Politik“ sollte Hans Beutz’ Engagement für die Erwachsenenbildung und die Hochschulplanungen in Wilhelmshaven nach 1945 nachhaltig beeinflussen. Am „Sozialpolitischen Seminar“ der Hochschule studierte er in den Fächern Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, Staats- und Verwaltungsrecht, Wirtschafts- und Handelsrecht sowie Zeitungswissenschaften. Seine Abschlussarbeit trug den Titel „Das Arbeitslosenfürsorgeproblem seit 1918“. Im Jahr 1931 absolvierte er einen ersten Auslandsstudienaufenthalt (summer school) in Oxford.

Aus politischen Gründen musste Hans Beutz, der sich auch im sozialdemokratischen Reichsbanner-Bund engagierte, schon bald nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 seinen Arbeitsplatz bei der Angestelltengewerkschaft und sein Studium aufgeben. Den Lebensunterhalt verdiente er sich von nun an zunächst mit der Abonnentenwerbung für Versicherungszeitschriften.

Noch auf Vermittlung der Gewerkschaften hatte er ein einjähriges Stipendium am „Fircroft-College“, einer Erwachsenenbildungsstätte in Selly Oak nahe Birmingham/Großbritannien erhalten und studierte dort 1934 Volkswirtschaft, Geschichte, Soziologie und Internationales Recht. Aus grundsätzlichen Erwägungen lehnte er den Eintritt in die Britische Armee ebenso ab wie die Emigration in die USA.

In Birmingham vermittelte man ihm ein weiteres, zweisemestriges Stipendium an der „Internationalen Volkshochschule“ in Helsingör/Dänemark. Danach arbeitete Hans Beutz als Sprachendozent und Verwaltungskraft an der „Sozialen Volkshochschule“ in Naerum bei Kopenhagen. Die Jahre im Ausland und in der politischen Erwachsenenbildung sollten ihn ein Leben lang prägen.

Ende 1936 kehrte Hans Beutz nach Berlin zurück und war zunächst als Verkaufsleiter einer Vertriebsgesellschaft für Propangas tätig. Am 1. März 1939 wechselte er in die Verwaltung des „Theaters am Nollendorfplatz“, verantwortlich für die Rechnungsführung und –prüfung, später als stellvertretender Verwaltungsleiter. Mit Kriegsbeginn wurde er wegen seiner Sprachkenntnisse als „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“ ins „Forschungsamt“, die Auslandsaufklärung des Reichsluftfahrtministeriums, einberufen und bis zum Kriegsende eingesetzt.

Unmittelbar nach Kriegsende kam Hans Beutz nach Wilhelmshaven, um nach seinen Eltern zu sehen. Seine Weggefährten von früher und der von der britischen Militärregierung eingesetzte Oberbürgermeister Dr. Friedrich Paffrath baten ihn jedoch, bei der Zusammenarbeit mit den Briten und beim Neuaufbau der Stadtverwaltung zu helfen.

Am 6. Juli 1945 erhielt Hans Beutz – nicht zuletzt wegen seiner Sprachkenntnisse – bei der Stadt Wilhelmshaven eine Anstellung im Verbindungsbüro zur Militärregierung. Ein Vierteljahr später – am 1. Oktober 1945 – ernannte man ihn zum Stadtrat der in Wiederaufbau befindlichen Stadtverwaltung. Er übernahm die Verantwortung für die Jugendwohlfahrt, das Presse- und Verkehrswesen, später auch die städtischen Wirtschaftsbetriebe, vor allem aber für die „Kulturpflege“.

Als Kulturdezernent wurde Hans Beutz für die nächsten 15 Jahre einer der wesentlichen Gestalter des kulturellen Neuanfangs im Wilhelmshaven der Nachkriegszeit. Im Vordergrund  stand dabei naturgemäß der Neuaufbau der kulturellen Einrichtungen in der vom Krieg zerstörten Stadt. Gerade nach den traumatischen Erfahrungen des Krieges war das Bedürfnis der Menschen nach kultureller Anregung und Reflektion besonders stark.

Vor allem aber ging es auch um die Förderung von Erziehung und Bildung für die Demokratie – gerade in der Auseinandersetzung mit den Folgen der nationalsozialistischen Diktatur -, um die Förderung kultureller Angebote, die es in Deutschland mehr als zwölf Jahre nicht mehr gegeben hatte.

Die Kulturpolitik in Wilhelmshaven stand in jenen Jahren vor großen Herausforderungen. Die frühere „Rüstungsschmiede des Reiches“, der ausschließliche Kriegshafen, musste sich vollkommen neue wirtschaftliche Existenzgrundlagen schaffen: Leichtindustrie, Hafenwirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und nicht zuletzt wissenschaftliche und kulturelle Institute. Kulturelle Einrichtungen sollten zwar auch einen Beitrag zur Stadtökonomie leisten, vor allem aber sollten sie das Bild der Stadt als „Stadt des Friedens“ neu prägen. So gesehen war der kulturelle Neuanfang untrennbar verbunden mit dem „neuen“ Wilhelmshaven der Nachkriegszeit.

Vor diesem Hintergrund entstand – angeregt vom damaligen britischen Marinebefehlshaber in Wilhelmshaven, Captain Edward R. Conder (RN) – der Plan für eine Universität, zunächst gedacht in der früheren Kasernenanlage am Mühlenweg. Hans Beutz entwickelte daraus seine persönliche Agenda, die er in den folgenden Jahren zusammen mit Oberbürgermeister Reinhard Nieter und dem Rat der Stadt Wilhelmshaven engagiert und ideenreich verwirklichte. Das junge Land Niedersachsen, hier insbesondere Ministerpräsident Hinrich Wilhelm Kopf sowie die Kultusminister Adolf Grimme und Richard Voigt, unterstützten dieses Programm nachhaltig.

Nicht alles wurde umgesetzt, schon gar keine Universität in Wilhelmshaven, aber in Wilhelmshaven-Rüstersiel entstand auf einem Campus im College-Stil die „Hochschule für Arbeit, Politik und Wirtschaft“, nicht zufällig nach der ‚Blaupause’ der „Hochschule für Politik“ in Berlin ohne akademische Zugangsvoraussetzungen und mit einem fächerübergreifenden sozialwissenschaftlichen Studienansatz. Ihr Gründungsrektor war Wolfgang Abendroth.

In Wilhelmshaven siedelten sich zwei pädagogische Hochschulen an und in weiteren ausgedienten Marineliegenschaften wurden vier hochrangige Forschungsinstitute heimisch: das „Max Planck Institut für Meeresforschung und Fischereibiologie“, die „Forschungsanstalt für Meeresgeologie und Meeresbiologie „Senckenberg am Meer“, das „Institut für Vogelforschung ‚Vogelwarte Helgoland‘“ und nicht zuletzt die „Niedersächsische Landesstelle für Marschen- und Wurtenforschung“.

Zusammen mit den kulturellen Einrichtungen der Stadt und einiger privater Initiativen prägten sie gerade in den 1950er Jahren und viel stärker als heute das Bild und das Leben in der Stadt. Wenn man heute von Wilhelmshaven als einem Forschungsstandort spricht, so ist dies auf die Erfolge jener Jahre zurückzuführen.

Hans Beutz gründete zahlreiche kulturelle Initiativen persönlich und unterstützte sie mit den Möglichkeiten, die ihm sein Amt bot, unter anderem den „Verein der Kunstfreunde für Wilhelmshaven“ im November 1945, den Verein „Volkshochschule Wilhelmshaven“ im Dezember des gleichen Jahres oder die „Nordwestdeutsche Universitätsgesellschaft“ im Juni 1947. Auch wenn er alle kulturellen Disziplinen gleichermaßen förderte, so blieb er der Erwachsenenbildung doch im Besonderen zugewandt. So gehörte er 1947 zu den Mitbegründern des „Niedersächsischen Landesverbandes der Volkshochschulen“ und 1949 des „Deutschen Bundes für Erwachsenenbildung“. Der Neubau für die Volkshochschule und die Stadtbücherei – erstmals unter einem Dach, eingeweiht 1962 – ging auf seine Initiative zurück.

Das Gebäude trägt seit 2009 den Namen „Hans Beutz Haus“. Anlässlich seines 100. Geburtstages hat die Stadt Wilhelmshaven ihren langjährigen Stadtdirektor und Kulturdezernenten damit geehrt.

Hans Beutz’ Leben war geprägt von seiner sozialen Grundorientierung. Er hatte früh den Wert von selbst erarbeiteter und nicht auf Herkunft beruhender Bildungschancen, von Wissen und Persönlichkeit kennen gelernt. Wichtige Jahre seines Lebens verbrachte er im Ausland und nicht zuletzt im demokratischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Diese Grundeinstellungen und Erfahrungen bestimmten nachhaltig seine Arbeit beim Wiederaufbau des zerstörten Wilhelmshaven und sein Selbstverständnis als Kulturdezernent.

Er betrachtete die Kulturpolitik nicht als Abfolge von Tagesnotwendigkeiten. Für ihn waren Ziele immer Ideale, deren Umsetzung pragmatisch. Eines der weitestgehenden Hochschulexperimente der Nachkriegszeit – die „Hochschule für Arbeit, Politik und Wirtschaft“ in Wilhelmshaven-Rüstersiel fand in einem früheren Barackenlager der Kriegsmarinewerft statt.

Seit dem 1. März 1947 war Hans Beutz als Stadtdirektor zugleich allgemeiner Vertreter des Oberstadtdirektors. 1960 verließ er die Stadt Wilhelmshaven und übte bis 1974 das Amt des Regierungspräsidenten von Ostfriesland in Aurich aus. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehörten der Bau von Schulen, die Raumordnung in Ostfriesland,  die Schaffung leistungsfähigerer Kommunen sowie der Natur- und Landschaftsschutz. Ein besonderes Anliegen war ihm die spürbare Verbesserung des Bildungsangebotes, leistungsfähigere Grundschulen und weiterführende Schulen. Auch die Ansiedlung des Volkswagenwerks in Emden trug seine Handschrift. Hans Beutz „ließ auf Ostfriesland nichts kommen“ .

[…] Wenn heute Ostfriesland als sympathisch, traditionsverwurzelt und kulturreich empfunden wird, dann gehört Hans Beutz mit in die erste Reihe der Männer und Frauen, die dafür den Samen gestreut haben.“ (Horst Milde)

1989 riefen Hans Beutz und seine Frau Edith Beutz-Thedinga eine „Stiftung für Verdienste um Erziehung und Bildung im Ems-Jade-Gebiet“ ins Leben. Damit haben sie die Ideale der Nachkriegszeit, den Stellenwert von Bildung und Erziehung gerade für die Zukunft festgeschrieben. Optional bedachten sie auch mögliche deutsche Stipendiaten am Fircroft-College in Birmingham. Die Hans-Beutz-Stiftung zeichnet seitdem regelmäßig Schulen und andere Bildungseinrichtungen für besondere Initiativen und Projekte im Bildungsbereich aus.

Nach dem Tod ihres Ehemannes Hans Beutz im Jahr 1997 setzte Edith Beutz-Thedinga den Stiftungsgedanken unermüdlich fort.

Bildung und Bildungsgerechtigkeit als Voraussetzung für strukturelle und ökonomische Entwicklung in der Ems-Jade-Region formulierten die Stifter einst in der Stiftungsurkunde als Daueraufgabe, die ständiger Pflege und Tatkraft bedarf. Frau Beutz-Thedinga verschrieb sich diesem Grundsatz mit besonderem und würdevollem persönlichen Lebensanspruch und materieller Förderung der Stiftung. Auch mit über 90 Lebensjahren begleitete sie die Entwicklung der Stiftung. Sie war stets Garant für Atmosphäre und Einmütigkeit im Stiftungsrat. Preisverleihungen an weit mehr als 20 Persönlichkeiten, Initiativen und Projekte waren Frau Beutz-Thedinga stets Hilfe und Ansporn bei der Umsetzung des Stiftungsgedankens.

Edith Beutz-Thedinga verstarb im Jahr 2020. Der Stiftungsrat wird ihr Schaffen hochachtungsvoll fortsetzen.